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Aberglaube

10.08.2012 02:11:52

Es war an jenem Backabend auf dem Dach. Faiza sass vor dem Ofen, Latifa trennte das Gebäck und Hend ordnete es erneut auf den Blechen, wobei ich ihr half. Iman stillte Noor und der kleine Ahmed sass im Babysitter aus Plastik, während Tuta mal hier, mal dort zusah. Da der Boden noch nicht gemacht und daher uneben und mit Steinen belegt ist, hatte man einen grossen Karton ausgebreitet, auf dem Ahmed sich in seinem Gefährt bewegen konnte.

Alle waren beschäftigt und achteten nicht weiter auf ihn, bis er losbrüllte. Er war mit dem Babysitter über den Kartonrand gefahren, worauf dieser umkippte und Ahmed mit dem Kopf auf den unebenen Boden fiel. Sofort rannten alle zu ihm, um ihn aufzuheben und zu beruhigen. Eine Wunde war nicht zu sehen, er war wohl eher erschrocken und bestimmt hatte ihm der Sturz wehgetan. Er liess sich nicht beruhigen und jede Frau nahm ihn auf den Arm. Faiza meinte, sie müssten mit ihm zum Krankenhaus fahren, aber Hend wusch ihm das Gesicht mit kühlem Wasser, worauf er sich dann doch beruhigte.

Nach einer Weile ging Faiza zu Hend, die mit ihrem Sohn auf dem Karton sass, riss ein Stück davon ab und zündete es an. Hend hielt ihren Sohn immer wieder über die Flamme, während Latifa etwas rezitierte.
Die Prozedur dauerte einige Minuten und ich stand bloss da und traute meinen Augen nicht. Sagen konnte ich nichts, denn es schien, als seien die Frauen mit dem Ritual bestens vertraut und ich war nur eine Aussenstehende, eine Fremde.

Dieses Erlebnis beschäftigte mich sehr und ich fragte mich, ob ich S. davon erzählen sollte. Ich sah aber davon ab, da er mit Sicherheit die Frauen ins Gebet nehmen würde, falls er solche Sachen in seiner Familie nicht duldete. Dann wäre ich in den Augen der Frauen die "Petze", der man nicht vertrauen kann. Haben solche Rituale seine Zustimmung, kann ich eh nichts ausrichten.

Ich habe nach Feuerritualen in Ägypten gegoogelt, aber nur altägyptische gefunden. Vielleicht geht dieses ja auf ein sehr altes zurück, da dem Feuer seit jeher reinigende Eigenschaften zugesprochen wurden. Gefunden habe ich mehrere Beiträge über den tiefsitzenden Aberglauben (speziell in Oberägypten).

Erschütternd ist die Geschichte aus den 80er Jahren, als auffällig viele Kinder verschwanden. Sie waren irgendwelchen Geistern geopfert worden, die diese Kinderopfer gefordert haben sollen als Preis für einen immensen Schatz, der im Karun See versteckt sein sollte. Den Quellen zufolge soll diese Geschichte ihren Ursprung in Oberägypten gehabt haben.

Dass die Menschen hier stark an Magie und Zauber glauben, ist mir bekannt. Beim Imam ein Papier besprechen zu lassen mit der Aussicht auf einen Lotterie Gewinn ist da noch harmlos. Ich erinnere mich, dass S. mich vor Jahren bat, ihm eine spezielle Kräuter/Essenzen Mischung aus Marokko mitzubringen. Er hatte alles Benötigte notiert und der Mann in der marrokanischen "Apotheke" schien Bescheid zu wissen. Mir war gesagt worden, dass dies zur Beschwichtigung von Geistern benötigt werde. Keine Ahnung, was ich da in meinem Gepäck mit mir getragen habe.
Damals fand ich das noch aufregend und spannend, aber nachts in einen Grabtunnel zu gehen und ein entsprechendes Ritual mitzuerleben, habe ich dann doch abgelehnt. Heute würde ich mich auf so etwas nicht mehr einlassen.

Auch seine Frage, ob ich damals einen Zauber oder Fluch bei meinem Ex angewandt hätte, nachdem unsere Beziehung in die Brüche gegangen war, kam mir wieder in den Sinn. Damals hatte er gemeint, wenn ich dies getan hätte, dann solle ich ihn doch bitte, bitte wieder rückgängig machen, damit der Ex wieder so wird wie früher.
Zuerst war ich schlichtweg verblüfft über diese ernsthaft vortragene Bitte, dann musste ich einfach lachen! Natürlich war dies in meinen Augen Schwachsinn, aber dass man mir solche Kräfte zutraute, schmeichelte mir doch ein ganz klein wenig....