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Fussball

03.02.2012 00:33:13

Horrorbilder wurden im Fernsehen gezeigt vom Fussballspiel in Port Said. Unfassbar, was da abgelaufen ist!
Der Fussballclub Ahly steht in der Rangliste ganz oben und muss den internationel Vergleich nicht scheuen, gemäss Einheimischen. Das Spiel gegen Al Masry in Port Said, in unterer Liga zuhause, wurde von Ahly bewusst verloren, um die Fans zu beruhigen, nachdem schon nach der ersten Halbzeit Flaschen, Steine und anderes aufs Spielfeld flogen. 

Die Szenen, die danach folgten, sind entsetzlich. Die Sicherheitskräfte zeigen keinerlei Reaktion, als aufgebrachte Port Said Fans die Ahly Spieler auf dem Feld jagen, die sich schliesslich in Ihren Kabinen in Sicherheit bringen. Der aufgebrachte Mob hinterher und keiner der Sicherheitsleute hält ihn ab.

Man erzählt hier, dass Fans der einen Seite Fans der anderen Seite geschnappt haben und sie von den Tribünen aus auf das Spielfeld geworfen haben. Die meisten der Toten sind erdrückt worden, weisen Kopfverletzungen auf und einige sind offensichtlich erstochen worden.

In allen Geschäften und Coffee Shops in Luxor, die einen Fernseher besitzen, haben die Einheimischen gebannt den Debatten zur Situation zugeschaut. Alles sind entsetzt über die Geschehnisse. Man spricht davon, dass dies eine geplante Attacke war und die Drahtzieher unter den Mubarakgetreuen zu suchen seien. Es sei ein Leichtes, arme, arbeits- und besitzlose junge Leute anzuheuern für etwas Geld. Ein Parteimitglied (welcher Partei war mir nicht ersichtlich) forderte, dass die gesamte, derzeitige Führungsspitze ausgewechselt werden solle, was mit grossen Beifall quittiert wurde.

Auch heute kam es zu schweren Ausschreitungen nach einem Fussballspiel in Kairo. Meine Leute hier sind fassungslos und sagen, so etwas habe es in der Geschichte Ägyptens noch nie gegeben. Auch wenn Tantawi, der oberste Militär, eine Staatstrauer von 3 Tagen angeordnet und den betroffenen Familien sein Beileid ausgesprochen hat, ist dieses unsägliche Drama nicht aus der Welt.

Sollte das Militär seine Finger im Spiel haben, um zu demonstrieren, dass der Staat nicht auf das Militär verzichten kann - wie einige hier behaupten - so schwindet das Vertrauen in eben dieses Militär im Volk.
Ob die Hintergründe je aufgedeckt werden, ist m.E. fraglich, auch wenn betont wurde, dass Ermittlungen laufen und die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen werden.

Es wäre dem Volk wirklich zu gönnen, wenn endlich Ruhe und Stabilität herrschen würden. Dass Umwälzungen Durststrecken mit sich bringen, erlebt inzwischen jeder hier, denn der Alltag mit steigenden Lebenskosten ist für die Allermeisten hart. So gibt es momentan kein Benzin in Luxor und auch kein Gas. Der Preis der in Haushalten verwendeten Gasflaschen ist innert Kürze von LE 10.- auf LE 50.- gestiegen. Wie sollen die Menschen zurechtkommen, wenn gleichzeitig  kein Einkommen da ist.
Die letzten Geschehnisse tragen auch nicht dazu bei, das Vertrauen ausländischer Gäste zu stärken. Und so werden wohl kaum noch Touristen nach Ägypten kommen.

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Lage in Kairo

20.11.2011 06:32:57

Es sind keine guten Nachrichten, die uns aus Kairo erreichen. Sollte ich mir deswegen Sorgen machen?
Nicht ernsthaft, denn Kairo ist gut 800km von Luxor entfernt und dort ist die Lage bedeutend ruhiger. Natürlich mache ich mir Gedanken! Was wäre, wenn...?

Wer das Land einigermassen kennt, lässt sich von den Meldungen weniger schnell abschrecken. Denn selbst in Kairo konzentrieren sich die Geschehnisse auf einen bestimmten Bezirk, den man umgehen kann. Es ist nicht so, dass die gesamte 20Mio. Stadt in Aufruhr ist.

Was mir zu denken gibt, ist die Tatsache, dass das Militär regiert und sich offenbar nur wenig von der gestürzten Regierung unterscheidet. Das Volk protestiert, es will Veränderungen und zwar nach seinen Vorstellungen, nicht nach denjenigen von Generälen. Es ist bekannt, dass diese zu Mubaraks Zeiten begünstigt waren und ihre Privilegien keineswegs abgeben wollen. Wird der Druck des Volkes gross genug sein? Oder wird das Volk auf's neue unterdrückt? Wie werden die Wahlen ausfallen? Wird das Volk sein Recht auf freie Wahlen nutzen? Die intellektuellen, gebildeten Ägypter ganz bestimmt. Aber was ist mit der Masse der bildungsfernen Ägypter?

Dass die Wahlen erst jetzt abgehalten werden hat eventuell den Vorteil, dass eben diese Bevölkerungsschicht Zeit hatte, sich zu informieren, zu lernen und sich zu behaupten.
Ich bin gespannt!

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Derzeitige Lage

22.10.2011 11:51:53

Die Menschen in Luxor und Hurghada klagen über die Situation. Wenig bis keine Touristen (zumindest in Luxor) bedeuten kein Einkommen.
Zumindest die Menschen in den Tourismuszentren können arbeiten, obschon die Besucherzahlen stark zurückgegangen sind. Keiner weiss, wie es weiter gehen wird und alle hoffen auf Besserung der Lage. Besonders in diesen unsicheren Zeiten. Denn dass die Ägypter zutiefst verunsichert sind, kommt immer wieder deutlich zum Ausdruck. Arbeiten werden nicht fortgesetzt, weil die Chefs nicht mehr da sind oder die Investoren fehlen. Arbeitsstellen werden aufgelöst, man wagt zu streiken und keiner weiss, in welche Richtung es gehen wird. Und dennoch ist die Hoffnung gross. Wer einigermassen gebildet ist, versteht die Zusammenhänge und dass Veränderungen in einem Staat nicht von heute auf morgen geschehen. Die Mehrheit der Bevölkerung, die wenig bis kaum gebildet ist, versteht nichts, macht weiter wie bisher und versucht, irgendwie zu überleben.

Die baldigen Wahlen sind natürlich ein Thema. Es gibt auch entsprechende Versammlungen im ganzen Land, aber auch hier sind die Menschen verunsichert. Welche Partei sollen sie wählen? Sie, die jahrzehntelang nur eine einzige Partei wählen durften? Das politische Bewusstsein ist erwacht, steckt jedoch in der breiten Bevölkerung noch in den Kinderschuhen. Auch hier ist Zeit zur Entwicklung nötig. Wünschenswert wäre ein Leader, der seinem Volk diese Zeit gewährt und ihm etwas gibt, das die Hoffnung nährt. 

Sehr deutlich wird der Ruf nach Polizei, denn seit der „Revolution“ herrscht ein Zustand im öffentlichen Leben, den man als gesetzlos bezeichnen könnte. Jeder macht, was er will ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Die Polizei, die während Jahrzehnten wegen ihrer Willkür vom Volk gehasst wurde, hält sich zurück, reagiert nicht, greift nicht ein. Zumindest nach den Aussagen der Menschen in Luxor. Das Misstrauen der Bevölkerung sitzt tief, man hilft sich eher selber, als die Polizei zu rufen. Auf deren Seite gab es wohl die Order zur Zurückhaltung oder die Polizei ist ebenso verunsichert und orientierungslos wie das Volk. Ein Imagewechsel ist durchaus angestrebt, konkrete Taten oder Verhalten, die dem Volk die Möglichkeit geben, diesem Staatsapparat zu vertrauen, gibt es offensichtlich noch nicht. 

All das wird in Gesprächen mit meinen Leuten, besonders mit meinen „Neffen“  klar, aber auch mit jenen, die in Hurghada tagtäglich mit Touristen zusammenkommen. Der Wunsch der jungen Männer, den Sprung nach Europa oder Amerika zu schaffen, ist ungebrochen.

Ich unterhalte ich mich in Hurghada stundenlang mit Amr, in dessen Obhut S. uns gegeben hatte, über all diese Themen. Amr scheint mir stellvertretend für alle jungen Männer hier, obwohl er 2 durchaus gut assortierte Shops betreibt. Ich fühle ihm auf den Zahn betreffend Bezness und stelle fest, dass das Thema allgegenwärtig ist. Nicht zwangsläufig für ihn, wobei ich da keine Hand ins Feuer legen würde. Das Thema gehört zum Alltag hier, ist inzwischen so normal wie alles andere.

Obwohl ca. 15 Hotels in unmittelbarer Nähe liegen, gibt es zurzeit zu wenig Kundschaft und Amr’s Vater denkt daran, die Shops für einige Monate zu schliessen und nach Luxor zurückzukehren.

„Was soll ich dort machen? Ich bin mit 15 von Luxor weg, habe mein Leben und meine Freunde hier. Hier kann ich zumindest versuchen, durch Vermittlung etc. ein wenig zu verdienen, wenn keine Kunden den Shop besuchen. In Luxor sitze ich nur den ganzen Tag rum“.

Ich habe keinen Lösungsvorschlag für ihn, merke aber, dass ihm allein das Gespräch mit jemandem, der auch eine Ahnung von der Mentalität und den Gegebenheiten hat, hilft.

Es ist diese Tatenlosigkeit, zu der die jungen Männer gezwungen sind, die ihnen zu schaffen macht. Sie wollen arbeiten, wollen verdienen und sich ein Leben aufbauen. Sie sind ungeduldig und frustriert, ein gefährliches Potential, sollte die Stimmung einmal kippen. Ich stelle aber auch fest, dass viele gar keinen Plan haben, dass Begriffe wie Brainstorming, Möglichkeitsanalyse etc. unbekannt sind. Grosse Worte aus der westlichen Welt, deren Vorbild hier noch immer leuchtet, obwohl das System sich überholt hat. Dennoch, sich mit Freunden zusammen zu tun, Synergien zu schaffen und so etwas auf die Beine zu stellen, das Sinn macht und allen etwas einbringt, davon sind die meisten weit entfernt.

Mein Neffe H., ausgebildeter Tourguide, meint, er könnte so viel in „Services“ machen. Ich frage nach, was er mit Services meint. Alles, sagt er und schaut mich mit grossen, verständnislosen Augen an. Ich frage noch dreimal nach, schliesslich kommt dabei Tourismus heraus. Auch glaubt er, dass wenn ich ihm eine Website erstelle, sein Business super läuft. Wie soll jemand mit dieser Denkweise etwas auf die Beine stellen? Ok, H. ist ein besonderer Fall. Dennoch scheint er mir repräsentativ für viele Junge hier. Von ihren Vätern verwöhnt, die in den goldenen 80ern und 90ern im Tourismus enorm verdient haben, wissen sie nicht mehr, was Arbeit bedeutet. Viele mussten nicht mehr wie ihre Väter bereits als Kinder den Beruf von der Pike auf lernen. Sie genossen eine gute Ausbildung, wobei ich das Bildungssystem in Frage stellen muss, weil ihre Kenntnisse enorme Lücken aufweisen. All dies betrifft die dünne Mittelschicht, die sich während der fruchtbaren Jahre in Luxor gebildet hat.

Der 2. Sohn von S., Moustafa, hat eine Ausbildung im Hotelfach und will arbeiten, zumal er Vater geworden ist. Momentan absolviert er 1 Jahr Militär, denn ohne dies erhält er keinen Arbeitsvertrag. Er war wütend, genervt, frustriert und musste sich doch dreinschicken. Da ohnehin kaum Touristen in Luxor sind, würde er eh keine Stelle finden. Ebenso der 3. Sohn, Said, der Koch gelernt hatte, danach in die Armee musste und nun keinen Job findet. Nounou, der Sohn von Latifa hat seine Ausbildung als Buchhalter beendet, ist im Bereich Informatik versiert und muss nun auch in die Armee. Die Verantwortung für die Familie bleibt an S. hängen, der - wäre die Lage besser - sich etwas zurücklehnen und die Geschäfte seinen Söhnen überlassen könnte. Obwohl, S. braucht die Verantwortung, er ist ein Leader, der sich mit Müssiggang nicht zufrieden geben würde.

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