Und? Wie ist es so...
03.05.2012 22:08:28
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...fragte mich S. kürzlich. Er meinte das Leben, das ich nun seit 4 Monaten hier lebe. Gut ist es! Da ist kein Druck, da sind keine Verpflichtungen...ich lebe nach Lust und Laune...ich lebe in den Tag hinein. Oder besser gesagt, ich lebe jeden Tag wie er kommt und bin völlig entspannt dabei. Eine Tagesstruktur hat sich eingependelt, aber auf ganz natürlich Weise. Meistens stehe ich zwischen 9 - 10h auf, mal früher, mal später. Dann trinke ich einen kühlen Saft und mache Kaffee. Danach wird der Laptop eingeschaltet, Mails gecheckt, ein bisschen gespielt und danach wird gearbeitet. Immerhin betreue ich zwei eigene Websites und mache bei einer Partner Seite mit. Mein neustes Proekt ist eine Webseite für S., damit er mal eine ordentliche Präsenz hat im Netz. Hilft es nichts, dann schadets auf jeden Fall nicht. In dem Zusammenhang habe gleich noch Visitenkarten entworfen. Wir machen ja sowas mit links... Für die Zweisprachigkeit der Website (D+E) musste ich mir allerdings Hilfe holen. Auch hier hat Dani trotz der Distanz tatkräftig gewirkt und ich danke ihm ganz herzlich dafür. Jetzt geht es drum, die Programme fertig zu schreiben und dann das ganze nochmal in Englisch. Weiter lese ich Egypt Independent online, um ein wenig auf dem Laufenden zu sein, was in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht läuft. Schneller ginge es mit CNN uund BBC im TV, aber die sind mir einfach nicht sympathisch! Die wöchentliche englische Ausgabe von Al Ahram kaufe ich hin und wieder. Die Artikel sind jedoch derart lang, dass mir oft die Lust zu lesen vergeht. Ich glaube, man könnte dies alles straffen... Daneben habe ich meine Projekte im Kopf, für die ich recherchiere, was hier nicht immer einfach ist, da zwar Zulieferfirmen existieren, viele aber keine Website haben und deshalb nicht kontaktiert werden können. Gelbe Seiten gibt es zwar, aber die sind m.M. nach wenig hilfreich. Naja, das braucht alles seine Zeit. Ich werde oft gefragt, ob ich jetzt einen Job habe. Nein, habe ich nicht! Ich muss auch nicht zwingend arbeiten, um mein Leben zu finanzieren. Ausserdem behagt es mir wenig, 8-9Std. pro Tag 6x die Woche für umgerechnet CHF 200.- zu arbeiten. Da im Tourismus Flaute herrscht, benötigt man dort keine Arbeitskräfte, ergo ist dort nichts zu machen. Kürzlich habe ich ein Inserat gelesen - man staune - in dem ein Branch Manager für eine internationale Reiseagentur in Luxor gesucht wurde, Hauptgewicht: sehr gute Kenntnisse in D und E. Da habe ich mich neugierdehalber gemeldet, aber bisher ausser einer Bestätigung noch keine konkrete Antwort erhalten. Eigentlich möchte ich mein eigener Boss sein. Deshalb bin ich bisher auch nicht auf das Angebot eingegangen, als Lehrerin an einer Sprachschule zu arbeiten. Wenn schon diese Richtung, dann im Alleingang. Youssef benötigt momentan keine Nachhilfe, weil er sich auf die Examen im Juni vorbereitet und da richtet er sich strikt nach seinem Nachhilfelehrer. Dort werden gewisse Themen wiederholt, auf Verständnis der Sprache und auf Aussprache wird kein Wert gelegt. Bedenklich, denn er hätte die Option, später nach Dänemark zu gehen und dort zu studieren. Mit seinen Kenntnissen wäre er aber dort hoffnungslos verloren. Und ein Studium in Englisch ginge über sein Vermögen. Ich musste ihm das mal vor Augen führen, weil er sich vorstellt, das sei so einfach und er könne doch sehr gut Englisch sprechen, lesen und schreiben. Die Selbsteinschätzung ist da wohl etwas arg verzerrt. Französisch ist noch viel schlechter, ich vermute, der Lehrer besitzt nur rudimentäre Kenntnisse. Said hatte bereits nach der ersten Lektion das Handtuch geworfen. Ihm passte nicht, dass ich das Alphabet mit ihm geübt habe. Kunststück, wenn er nicht mal die Grundbegriffe kennt und in der Aussprache ständig "R" mit "L" verwechselt. Im Grunde will er gar nicht lernen und dann bringt's auch nichts. Ich hatte mich sowieso gewundert, als er mich darum bat. Dann gibt es zwei weitere Kandidaten, der eine für D, der andere für E lesen und schreiben. Schau'n wir mal, was daraus wird. Ein neue Anfrage betrifft die Leitung eines Fitnessraums für Ladies, dess Programm ich selber gestalten könnte. Da ich selber sowas kombiniert mit Tanztraining damals in Nigeria aufgezogen hatte, wäre mir das nicht fremd. Und mir tät regelmässige Bewegung auch gut. Nur bin ich da skeptisch. Denn, wenn schon kein Geld da ist, wie soll da jemand Geld für Fitnessstunden ausgeben wollen? Man sagte mir zwar, dass der Raum schon existiere. Ich fragte nach Garderoben und Duschen. Alles kein Problem! Auch die Kundschaft wäre vorhanden. Eigentlich hätte ich alles, was es bräuchte. Das Programme, die Musik, das Equipment und meine Kenntnisse und Erfahrungen. Doch ich warte da mal ab...denn gut Ding will Weile haben. So um Mittag rum mache ich Frühstück und lese dazu. Danach räume ich auf oder putze, je nachdem, was anfällt. Zwischendurch mal Wäsche...und ja, ich wasche immer noch von Hand! Die Waschmaschine in der oberen Wohnung ist für nichts. Da bin ich schneller, wenn ich von Hand wasche, brauche kaum Strom und viel weniger Wasser. Danach wird mal geduscht und zurecht gemacht. Vorher hat gar keinen Zweck, sonst müsste man gleich nochmal duschen. Meistens mache ich dann einen Rundgang durch die Stadt, besuche Geschäfte oder kaufe etwas ein. Oder ich setze mich mit einem Buch auf die Dachterrasse. Allerdings erst ab 16h, weil es vorher zu heiss ist. Es gibt nämlich noch kein Schattendach. Dort bin ich ungestört und höre das Zwitschern der Vögel im Baum, der so weit hoch gewachsen ist, aber noch keinen Schatten spendet....und das Gackern der Hühner im Stall. War ich draussen, dann setze ich mich nach meiner Rückkehr zu der Familie oder halt denen, die da sind und trinke Tee. Anschliessend gehe ich in meine Wohnung. Manchmal gönne ich mir ein kühles Bier als Apero und etwas zum knabbern dazu. Abendessen gibt es irgendwann zwischen 20 - 21h. Ich koche regelmässig, oft fleischlos. Zelebriere es und geniesse es. Manchmal habe ich Wein im Haus, meistens jedoch nicht. Danach gehe ich manchmal runter zum plaudern oder wir gehen zusammen in die Kaffee Bar um die Ecke. Ich mag es, später am Laptop zu sitzen und zu schreiben, während die Gräusche der Strasse zu mir hoch dringen. Ich höre die Geckos schnalzen und lache für mich mit, wenn unten auf der Strasse alle in ansteckendes Gelächter ausbrechen. Manchmal kommt abends jemand vorbei oder ich gehe auswärts essen. Bei der Familie habe ich nur ganz am Anfang das eine oder andere Mal gegessen. Nicht etwa, weil es mir nicht schmecken würde. Aber zum einen mag ich Abwechslung, also auch meine eigene Küche und zum andern will ich nicht ein Maul mehr sein, das es zu stopfen gilt. Das soll jetzt aber nicht heissen, dass man mir jemals dieses Gefühl vermittelt hätte. Ist nur meine eigene Einstellung. Da ich nur kleine Portionen esse, habe ich noch genug für den nächsten Abend. Später spiele ich noch ein wenig oder lese oder beschäftige mich mit Fotobearbeitung, Videogestaltung und Musik. Also lauter Dinge, die ich gerne mache. Ab und zu schaue ich TV, aber mit den 3 deutschen Sendern hat man keine grosse Auswahl. Ok, man könnte dies einstellen, aber da man mir schon einen TV ins Schlafzimmer gestellt hat, will ich nicht noch Ansprüche stellen. Oft schlafe ich vor dem TV ein... Ob es gar nichts gibt, was mit fehlt oder was mich nervt. Aber sicher gibt es das! Irritierend ist für mich, dass es keine offiziellen Informationen von der oder durch die Stadt gibt. Das fehlt mir definitiv. Gewisse Gewürze (meine mitgebrachten neigen sich dem Ende zu), die man hier einfach nicht findet. Vorallem Brot in den diversen Variationen und solange ich keinen anständigen Herd habe, in dem ich backen kann, kann ich dies auch nicht beheben. Was mich enorm nervt sind die unzähligen Motorräder, die meistens frisiert sind und mit ihrem Höllenlärm einfach nervtötend sind. Dazu gehört die Abwesenheit eines "Kontrollorganes", das diese aus dem Verkehr zieht sowie unfähige Autofahrer. Mir wurde gesagt, dass sehr wohl Polizei da sei, nur sähe man die nicht in Uniform. Einen einzigen Verkehrspolizisten habe ich gesehen...er stand aber auch nur ein einziges Mal an dieser Stelle. Ansonsten fällt mir nichts ein. Ok, dass offizielle Sachen wie Bank, Post etc. hier anders laufen, war mir schon klar und da kommt es ganz auf die Situation an, ob ich mich nerve oder nicht. Tja, so sieht mein Alltag in Luxor aus....gar nicht übel oder?
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Staub zum Hundersten
03.05.2012 16:12:32
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Nach der Staubattacke Anfang Woche konnte man die Autobesitzer beobachten, wie sie Schläuche aus den Hauseingängen holten und ihre Autos vom Staub befreiten. Auch die Bäume, die in der Regel nahe an den Häusern gepflanzt und nicht sehr gross sind, bekamen eine Dusche, damit sie mit ihrem Grün das Auge erfreuen. Die Strasse wurde ebenfalls bedacht, man versucht, dem Staub Herr zu werden. Die Nachbarin gegenüber entstaubte das Balkongeländer. Dazu schlug sie mir einem Tuch auf das Geländer ein. Vielleicht ist es ja wirklich die zweckmässigste Art hier, Staub zu wischen. Ich bin da eher skeptisch! Sichtlich wirkungsvoller sind die festen Vorhänge, mit denen etliche Bewohner ihre Balkone versehen. Zumindest hält dies den Staub etwas davon ab, sich in den Wohnräumen breit zu machen. Auf meinem Balkon sah es so aus: In der Wohnung war es nicht ganz so schlimm, aber ich musste tatsächlich 3x wischen und dann nass putzen. Alles, aber auch alles, das frei rumsteht, ist betroffen. Wer sich hier einrichtet, muss auf gut schliessende Schränke, Vitrinen und Kommoden achten. Freistehende Dekoartikel kann man vergessen, es sei denn, man entwickelt eine Putz-Leidenschaft. S. meinte, früher hätte man genau sagen können, wann diese Staubtage sind. Heute sei dies nicht mehr möglich, weil auch hier eine Klima Veränderung bemerkbar ist. Nun, auf jeden Fall besprühen alle, die sich etwas überlegen, die Strasse vor ihrem Laden oder ihrem Haus mit Wasser, um den verfluchten Staub zu binden. Kleine Episode am Rande: Gestern sassen wir abends in der reception hall im Erdgeschoss, als es klingelte. Ich wollte schon aufmachen, als S. mir bedeutete, ich solle sitzen bleiben. Es sei nur der Nachbar, der den Schlauch wolle, um die Strasse zu spritzen. Er selber habe keinen Schlauch und S. sei es leid, denn schliesslich bezahle er den Wasserverbrauch. Faiza schoss aus den hinteren Räumen in den Eingangsbereich, nahm den Schlauch ab und verstaute ihn im Vorratsraum. Dumm nur, dass der Rest Wasser im Schlauch sichbare Spuren auf dem Boden hinterliess. Sie aber freute sich wie ein Kind, damit dem Nachbarn ein Schnippchen geschlagen zu haben. Später ging S. dann doch vor die Tür, um mit dem Nachbarn zu reden. Resultat: der Nachbar bekam den Schlauch und damit Wasser....
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Ein bleischwerer Tag
01.05.2012 09:34:43
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Natürlich hatte ich irgendwann den Schlaf nachgeholt. Als ich aufstand bemerkte ich, dass die Sonne nicht schien. Es gibt immer wieder mal solche Tage, an denen Wolken den Himmel verdunkeln. Eine Folge des Nassersees, denn vor 30 Jahren sah man hier keine einzige Wolke, geschweige denn Regen. Erst kürzlich war die Luft zum schneiden dick und ziemlich gelb. Der Staub in der Luft senkte sich ziemlich tief auf die Stadt herab, die Menschen verkrochen sich in ihren Häusern und es hatte was von Endzeitstimmung. Gestern war wieder so ein Tag, obwohl ein heftiger Wind wehte. Dieser war allerdings wenig erfrischend, sondern heiss und stickig und brachte Unmengen an Staub mit sich. Da Fenster und Türen nicht dicht sind, spielt es keine Rolle, ob sie offen oder geschlossen sind. Dieser bräunliche Feinstaub ist allgegenwärtig und ziemlich mühsam. Ich hatte versucht, ihn zu ignorieren...funktionierte nur leider nicht! Auf den weissen Bodenplatten kann man ihn einfach nicht ignorieren. Was ich gestern zusammen gekehrt hatte, übertraf alles bisherige. Überall setzt er sich ab und man ist gezwungen zu putzen, was nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung ist. Die Luft war so dick und heiss, dass das Atmen schwer fiel. Zum ersten Mal liess ich die Aircondition in beiden Räumen richtig laufen, um auf ca. 22C herunter zu kühlen. Selbst die Katzen lagen apathisch im Treppenhaus herum und kamen noch so gern zu mir, weil es kühler und ruhiger war als anderswo. Abends ging ich schnell raus, um im Laden um die Ecke Zigaretten zu holen. Die Strasse war nass und roch nach feuchtem Staub. Um diesem Herr zu werden, benetzen Anwohner und Ladenbesitzer regelmässig die Strasse. Bei dieser drückenden Wärme verdampft das Wasser sehr schnell und hinterlässt ein "Waschküchen-Gefühl". Besonders mühsam empfinde ich es, wenn Faiza das Treppenhaus putzt. Da wird nicht mit Wasser gespart, selbst die Wände werden abgespritzt. Der Effekt ist schlimmer als in einer Sauna, weil dort dieser Geruch fehlt. Und es dauert, bis er verschwunden ist! Dieser Wind, Chamsin genannt, tritt in der Regel im Mai auf. In der Schweiz mag er ja für wunderbares Licht sorgen, hier ist er einfach nur verdammt mühsam. Ich hoffe, es gibt nicht allzu viele Tage wie diese, denn es sind absolut keine Wohlfühl-Tage!
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Einkaufen
30.04.2012 09:05:57
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Gab es vor ein paar Jahren noch 2-3 kleine Geschäfte, die zwar den Namen Supermarkt trugen, dem jedoch von Grösse und Angebot her nicht entsprachen. Heute gibt es ein paar grössere Geschäfte...dennoch, Supermärkte westlichen Stil findet man in Luxor nicht. Seit gut einem Jahr gibt es Kher Zaman in der Television Street, der ein sehr gutes Angebot hat. Neben Nahrungsmitteln, Milchprodukten, Tiefkühlprodukten und Reinigungs/Toilettenartikeln führt das Geschäft eine Kühlvitrine mit frischem Obst und Gemüse. Selbst frische Kräuter sind im Angebot. Das z.T abgepackte Gemüse ist einwandfrei und von der Menge her ideal für Single Haushalte. Die grosszügige Frischfleischtheke und die reichhaltigen Wurst- und Käsetheken sind eine Besonderheit. Hier kann man offene Butter kaufen, die gut ist und wesentlich günstiger als die importierte. Zigaretten werden hier ebenfalls verkauft, z.B Marlboro Light für LE 13.- das Päckchen, während anderswo bis zu LE 15.- verlangt wird. Bezahlen kann man hier auch mit Karte. Forty ist vielleicht etwas grösser, verkauft aber weder frisches Gemüse noch Obst. Dafür findet man importierte Schokolade und Käse. Omar in der Medina Street existiert schon länger. Nachdem die Gestelle übersichtlicher angeordnet worden sind und der Laden generell einen saubereren Eindruck macht, läuft er auch wieder besser. Für mich ist es der Laden, der am nächsten ist. Ähnliches, wenn auch beschränkteres Angebot wie die beiden anderen Geschäfte. Kein frisches Gemüse und Obst. Arkwrights in der St. Josephsstreet ist ein sehr sauberer Laden europäischen Stils, der einer englischen Lady gehört, die unter anderem auch selbstgemachte Pralinen anbietet. Das Angebot ist deutlich kleiner, dafür ausgesuchter und auch etwas teurer. Haushaltgeschäfte gibt es 3 in der Television Street, wobei eines eher für Hotelbedarf ist. Und eines ist am Ende der Medina Street. Hierbei handelt es sich um ein staatliches Geschäft, das einen etwas vernachlässigten Eindruck macht und das Angebot eher auf Ägypter ausgerichtet ist. Einige Möbelgeschäfte, einige Sanitärgeschäfte, viele Apotheken, Gemüsehändler, viele Kleider- und Schuhgeschäfte und dazwischen immer wieder kleine und Kleinstgeschäfte. Nicht zu vergessen die Handy Geschäfte. Und last but not least der Touristenmarkt und der einheimische Markt. Alkoholika kauft man in den koptischen Geschäften in und hinter der Station Street. Der Süden Ägyptens ist etwas isoliert, was sich daran zeigt, dass nicht immer alles erhältlich ist. Findet man einen wirklich benötigten Artikel, dann empfiehlt es sich, diesen gleich auf Vorrat zu kaufen, da man nie weiss, wann und ob Nachschub geliefert wird. In Kairo findet man alles...selbst grosse, moderne Shopping Malls...in Luxor jedoch nicht!
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Sleepless in Luxor
30.04.2012 06:32:19
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Wenn ich so "zurück lese", dann fällt mir auf, dass vieles schon so selbstverständlich geworden ist, dass ich es gar nicht erwähne. Dass dann jemand, der das Leben hier nicht kennt, die Sprünge nicht nachvollziehen kann. Dass ich schon so früh am Laptop sitze und schreibe, liegt an der Hitze….ich kann nicht schlafen! Ich war bis nach 4h wach, habe dann wohl etwas über eine Stunde geschlafen…oder doch nicht?...und bin nun hellwach. Ich hatte die Aircondition nicht vorher laufen lassen, um die Temperatur im Schlafzimmer etwas herunter zu kühlen, denn schlafen mit kann ich gar nicht. Ich finde sie grässlich und ungesund. Da das Schlafzimmer nur ein Fenster zum hinteren Luftschacht hat, ist es quasi ein gefangener Raum. Um wenigsten Frischluft Zufuhr zu haben, lasse ich es offen. Es hat übrigens ein Fliegengitter, wie alle Fenster hier. Dann höre ich jedoch die Airconditions der anderen Wohnungen, die die ganze Nacht laufen und zwar nicht leise. Was soll’s! Ich schlafe dann einfach später, wenn die Müdigkeit mich übermannt. Es ist schon so, dass sich durch das Klima der eigene Rhythmus verändert. Man lebt hier der Hitze wegen mehrheitlich nachts und schläft dann entsprechend tagsüber. Mich irritiert immer noch, dass Arbeiten im Haus oder in der Nachbarschaft noch spät abends oder gar nachts durchgeführt werden. Nachtruhe? Ich glaube, dieses Wort gibt es gar nicht in der hiesigen Sprache. Offizielle Anrufe am späten Abend erstaunen mich nach wie vor, dafür bin ich noch zu sehr schweizerisch gepolt und Besuche um Mitternacht oder später sind völlig normal und für Europäer gewöhnungsbedürftig. Ich habe mich zumindest noch nicht dran gewöhnt. Ausser wenn S. mich besucht, einen Cappuccino trinkt und wir über das Leben in Luxor an sich, über die derzeitige Situation oder über Politik plaudern. Diese Momente geniesse ich, bedeuten sie doch persönlichen Austausch. Inmitten einer Grossfamilie ist dies gar nicht möglich. Da bewegen sich die Gespräche auf einfacherem Niveau. Nicht, dass ich dies nicht auch schätzen würde. Besonders diese allgegenwärtige Bereitschaft zu scherzen und zu lachen. Manchmal gelingt es mir, ihren Humor zu verstehen und auch mal einen Spass oder einen ironischen Satz zu platzieren, der auch so verstanden wird. Aber ich glaube, ich bin noch meilenweit davon entfernt, die Denkweise und den Humor wirklich zu verstehen. Auch wenn ich in all den Jahren doch sehr viel Erfahrung sammeln konnte.
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Der Sonntag
15.04.2012 23:34:02
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Sonntag ist (immer noch) der Tag, an dem ich mir was gönne. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis ich mich an Freitag gewöhnt habe. Also, sonntags gehe ich an den Swimmingpool. Vorzugsweise im Steigenberger Hotel, weil dort S. seine Boote und einen Vertrag mit dem Hotel hat. So hat er immerhin Gäste, die den Sonnenuntergang auf einem Segelboot erleben möchten. Obwohl die Bedingungen m.E. nicht optimal sind. Aber besser als gar nichts, ist hier die Devise...besonders in diesen Zeiten. Als nicht im Hotel wohnhaft muss ich Eintritt bezahlen, allerdings verrate ich jetzt nicht wieviel...man weiss ja nie, wer hier mitliest Heute war der Pool gut besucht, erstaunlicherweise auch von einheimischen Gästen oder aus anderen arabischen Ländern. Für mich war es etwas schwierig zu definieren, da ich die Leute kaum sprechen hörte und sie deshalb nicht einordnen konnte. Zu meiner Linken sassen 2 Ladies im Schatten. Die eine in westlicher Kleidung mit Kopftuch, die andere total in schwarz und nur mit Sehschlitz. Ihre Kinder tobten in Badekleidung und Schwimmflügeln im kleinen Becken, Mädchen wie Jungen, und genossen das nasse Vergnügen. Als ich schwimmen ging, spielte ein Vater mit seinen Söhnen im Wasser, während unweit eine ganze Familie plantschte. Die Frau in voller Kleidung und mit Kopftuch. Nahe dem anderen Beckenrand tobte ein anderer Vater mit seinen Sprösslingen, während seine Frau, im knappen Bikini, vom Rand aus zusah. Und alle drei Parteien arabischer, wenn nicht gar ägyptischer Herkunft. Kann man sich das in Europa vorstellen? Mit Sicherheit nicht, denn da kursieren so viele Clichés! Nun, manchmal gönne ich mir ein kühles Stella Bier zum Sonnenuntergang und ein Clubsandwich. Diesmal liess ich es sein und genoss die Aussicht auf den Nil, die Sonne, mein Buch und überhaupt meine Situation. Anfangs hatte ich mir ausgemalt, 2x pro Woche diesen Poolbesuch mit anschliessendem Sunset auf dem Boot zu machen, stellte aber fest, dass es ganz schön an den Geldbeutel geht, da die Preise in einem solchen Hotel fast europäisch sind. Ausserdem hatte ich mir vorgenommen, bei Dean reinzuschauen und vielleicht einen Apero zu mir zu nehmen, da das Restaurant am Weg liegt. Es war schon dunkel (eine Dämmerung in dem Sinn gibt es nicht), als ich das Lokal betrat. Julia war da, plauderte mit Dean und nahm ihr Abendessen ein. Ich fragte also, ob ich mich dazu setzen dürfe und bestellte statt Apero mein Essen. Ja, warum eigentlich nicht? Ich hatte eh nicht mehr viel im Kühlschrank und absolut keine Lust auf kochen. Ok, es war etwas teurer, aber eben...Sonntag! Das thailändische Rindfleisch war absolut pikant und schmackthaft, wie auch die Beilagen. Der Weisswein kühl und fruchtig und der abschliessende Espresso aromatisch. Dazu nette Gesellschaft und Unterhaltung...was will Frau mehr? Gegen 20h verliess ich die beiden, um noch etwas bei Omar einzukaufen, denn gestern war wieder Backtag und ich hatte friscches Brot zuhause. Der Hitze wegen war das Backen auf die Nacht verlegt worden. Man hatte mir dies angekündigt, aber nicht genau wann, und so hatte ich kein Mehl eingekauft. Ich knetete zusammen, was ich noch hatte, brachte ein 1/2 Pfund Brot zustande, das sich im Vergleich zu den vielen prächtigen Broten mickerig präsentierte und zudem nicht richtig aufgehen wollte. Was hatte ich denn letztes Mal anders gemacht? Auf dem Dach war es angenehm kühl, ja, sogar ein wenig frisch, und von der Stadt her wehte der Klang von Musik herüber. Grund dafür ist Sham el-Nessim, das Frühlingsfest, das am Montag von allen gefeiert wird. Alle Familien seien dann unterwegs, am Nil, auf den Booten, in den Parks... Gefärbte Eier, gesalzener Fisch und andere Spezialitäten gehörten zu dem Anlass, erzählte man mir. Schon heute Abend war der Lunapark in der Nähe (auch Treffpunkt für Jungs und Mädels, die ein heimliches Rendez-vous vereinbaren wollen) derart gut besucht, wie ich es noch nie gesehen hatte. Auch die Strassen waren sehr bevölkert und jeder schien sich draussen aufzuhalten. Ich soll morgen mit Faiza, Latifa, den Mädels und den Kindern Sham el-Nessim feiern. Na, mal sehen, was mich da erwartet.... Nachtrag: Gar nichts habe ich gesehen, da mir niemand gesagt hatte, dass sie bereits um 8Uhr morgens starten. Abends waren alle müde von dem ungewohnten Ausflug mit dem Segelboot, der Sonne, dem Schwimmen oder Plantschen im Nil - die Frauen natürlich in voller Kleidung - und dem vielen Essen. Malesh...nächstes jahr!
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Hit and run
05.04.2012 23:00:18
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Ich ging den Weg zurück und stand am Beginn der Television Street, in die 2 Strassen münden. Eigentlich ist diese Strasse eine Stadtautobahn mit getrennten Fahrbahnen und einem grünen Mittelstreifen. Allerdings auch von Fussgängern, Eselkarren, Fahrrädern und Motorrädern benutzt. Vorsichtig, wie man hier zwangsläufig wird, sah ich erst nach links, ob frei war und erreichte den Mittelstreifen, der gerade dort aufhört, weil sich die Strasse nach rechts fortsetzt. Ich sah also nach rechts und wartete, bis frei war. Als ich losgehen wollte wurde ich von einem Motorrad angefahren. Ich knickte um, mein Fuss (leider nur in Sandale) schürfte über das Pflaster und das Vorderrad klebte an Wade und Knie. Der Schmerz liess mich denken: hoffentlich ist nichts gebrochen. Alles lief in Sekundenschnelle ab. Danach sah ich hoch und in das Gesicht eines etwa 14jährigen Jungen, der einfach auf der falschen Fahrbahn in die falsche Richtung gefahren war. Er sah mich an, als wäre es meine Schuld und fuhr einfach weiter...... Ich war zu geschockt, um überhaupt reagieren zu können, versuchte auf beiden Beinen zu stehen - Gott sei Dank, das ging - und humpelte über die Strasse. Die Schürfwunden am Fuss waren blut- und dreckverklebt und ich hatte nur noch den Wunsch, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen, um die Wunden zu reinigen und zu desinfizieren. Langsam machte sich in mir eine derartige Wut breit, auf den Typen und auf mich, weil ich nicht schnell geschaltet und in irgendeiner Form reagiert hatte. Schreien, ihm eine scheuern, nach seiner ID fragen, nach seinem Vater fragen...einfach irgendwas, damit dem Kerl klar würde, dass sein unverantwortliches Verhalten Konsequenzen hat. Aber nein, irgendwie hatte mein Gehirn auf standby geschaltet. Verkehrspolizei oder überhaupt Polizei fällt hier nur durch permanente Abwesenheit auf! Jeder macht wie er will. Hunderte von Jüngelchen, die in der Schweiz allerhöchstens ein Mofa fahren dürften, brettern hier auf Motorrädern durch die Stadt und liefern sich mitunter Rennen auf den bevölkerten Strassen. Die Unfallstatistik ist dementsprechend erschütternd. Aber keiner tut was. Die Jungs werden nicht aus dem Verkehr gezogen und offenbar braucht es nicht mal einen Fahrausweis. Selbst etwa 12jährige Jungen habe ich schon am Steuer von Autos gesehen und ich frage mich, was sich die Eltern dabei denken. Nachdem ich den Fuss gereinigt und desinfiziert hatte, besah ich mir den Schaden am Bein. Es wird wohl zwei Blutergüsse geben und das Knie ist geschwollen. Allerdings scheint es keinen "mechanischen" Schaden gegeben zu haben. Plötzlich fühlte ich mich unendlich müde, legte mich hin und schlief ein wenig. Für heute war mein Bedarf an Ausgang eindeutig gedeckt!
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Die Strasse ist glücklich...
30.03.2012 13:22:09
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...weil du darin gehst! Kann man über eine solche Bemerkung böse sein? Ich jedenfalls nicht! Auch wenn sie von einem Jüngelchen kommt, der mit seinen Freunden zufällig dasteht, als ich durch die Strasse schlendere. Blöde Anmache, sagen die Einen...Kreativität, meinen die Anderen. Mich bringt solches zum Lachen und obwohl ich selten auf die vielen Sprüche reagiere, erheitern mich solch blumige Bemerkungen, die ich mit einem Lächeln quittiere. Ich kann die Bemerkungen nicht zählen, die ich höre, wenn ich durch die Strassen bummle. Bis zu 10 sind es bestimmt pro Bummel. Von "woher kommst du" bis zu "my god, so beautiful" ist alles dabei. Wie gesagt, ich ignoriere sie. Ich schaue nicht zu Boden, wie an manchen Stellen empfohlen, sondern halte meinen Kopf hoch. Im Bazar versucht jeder Händler die Aufmerksamkeit eines potentiellen Kunden auf sich zu ziehen, egal ob er behauptet "no hassle" oder gar ein entsprechendes Schild aufgehängt hat. Freundlich, aber bestimmt abwehren und keine Scheu zeigen. Mit einem Lächeln geht vieles besser! Meine neue Gallabiya, leichte Baumwolle und in leuchtendem Orange, ist zu lang. Ich bringe sie zu dem Schneidergeschäft, das Änderungen und Vorhang nähen anbietet und ein paar Schritte vom Haus entfernt ist. Die junge Frau hat einen aufgeweckten Blick und meint, ich solle in einer Stunde wiederkommen. Da die Zeit hier eine etwas andere Bedeutung hat, gehe ich nach 1 1/2 Stunden hin. Jetzt sind 2 Frauen anwesend und meine Gallabiya ist noch nicht gemacht. Schnell wird ein Stuhl für mich zurecht gerückt, auf dem ich Platz nehmen muss. Während die "Schneiderin" auf dem Boden (ein Arbeitstisch fehlt) ein Tuch ausbreitet, um darauf meine Gallabiya zu legen und sie zu kürzen, beginnt die andere Frau mit mir zu plaudern. Zuerst das übliche, woher ich komme etc. Sie möchte zeigen, dass sie französisch kann und fragt das bereits bekannte "kommatabiti", das man ihnen in der Schule beibringt und "comment t'appelles-tu" heissen soll. Hätte ich es nicht schon vorher gehört, ich hätte geglaubt, sie spräche Esperanto oder so. Schliesslich beginnt sie, von sich zu erzählen, dass sie ein Kind hat, dass durch Kaiserschnitt entbunden worden war. Offenbar ist dabei etwas schief gelaufen, denn sie keine weiteren Kinder mehr bekommen kann. Ich habe keine Scheu, über meine diesbezüglichen Erfahrungen zu sprechen, schliesslich sind wir Frauen unter uns. Unterdessen hat die "Schneiderin" mein Gewand gesäumt und will es in eine Plastiktüte stecken. Ich wehre ab, weil die Plastiktütenflut immens ist und es ja nur ein paar Schritte sind bis nach Hause. Sie aber meint, nein, das müsse seine Ordnung haben. Auf meine Frage, wieviel ich ihr schulde, meint sie, nichts! Ich solle einfach wieder mal auf einen Plausch vorbeikommen
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Mond und Venus
30.03.2012 12:52:56
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Ein Segeltrip auf dem Nil bei Sonnenuntergang...entspannend und wunderschön! Leider gab es kaum Wind und so dümpelten wir mehr als wir segelten. Dennoch, für mich ist der Kontrast zwischen East- und Westbank immer wieder spannend. Nach einer Stunde - ich war als Gast mit ein paar englischen Touristen unterwegs - legten wir wieder an. Nach Sonnenuntergang färbte sich der Himmel in pastellfarbene Regenbogentöne, die in das samtene Blau des Abendhimmels verliefen. Zuerst nur schwach erkennbar erschien der Mond. Ein feine, messerscharfe Sichel, die wie ein Boot über dem Horizont lag. Je dunkler es wurde, desto deutlicher leuchtete die Sichel und drüber in einer Linie - wie mit einem Lineal gezogen - die Venus. Was für ein Anblick! Ich war gebannt und staunte wie ein Kind, hatte ich dies doch noch nie gesehen. Offenbar ist diese Konstellation eher selten. So starrte ich bestimmt über eine halbe Stunde in den Himmel, alles um mich herum vergessend. Was ist wichtig angesichts solch unendlicher Schönheit? Nichts, denn was bedeutet unser Leben, die Freude und das Leid im Vergleich zum Universum? Ich versuchte, diesen Anblick festzuhalten und scheiterte. Meine kleine Kamera, obwohl auf Stativ, vermocht den Anblick und die Stimmung nicht einzufangen. Sei's drum...diesen Anblick werde ich für immer in Erinnerung behalten.
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Geschäftseröffnung
23.03.2012 18:25:35
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Da heute Freitag ist, erschallen die Stimmen der Muezzin lauter als sonst. Deshalb dachte ich, man hätte endlich den plärrenden Sänger durch einen mit wohlklingenderr Stimme ersetzt. Erstaunlich nur, dass es so lange dauert...und noch andauert. Und zwar in einer Lautstärke, die das ganze Quartier beschallt! Obwohl ich Türen und Fenster geschlossen habe, dröhnt es, als hätte ich den Lautsprecher in meiner Wohnung. Als ich vom Balkon aus auf die Strasse schaue, sehe ich den Grund. Gleich vis-à-vis hat jemand einen Minishop in gelb und knallgrün mit Kinder- und Frauensachen eröffnet. Am Nachmittag waren Lichtergirlanden über die Strasse gehängt worden, die nun aufgeregt blinken. Der Muezzin kommt ab Band, denn neben dem Eingang des Shops ist ein Lautsprecherturm aufgebaut. Ob der Besitzer damit Allahs Segen für sein Geschäft erbitten will? Endlich ist das Band fertig, da kommt die Antwort von den diversen Muezzins der Stadt. Derjenige in unmittelbarer Nähe plärrt noch immer.... Hilfe, kaum ist der Plärrende fertig, dröhnt es wieder von Nachbar Shopbesitzer...ich glaube, da helfen nicht mal Ohrenstöpsel!
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Wohnungsbesichtigung
16.03.2012 23:33:43
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Kürzlich habe ich gemeinsam mit S. eine Wohnung besichtigt. Genauer gesagt 2 Wohnungen im gleichen Haus. Die erste ist im Rohbau, aber bereits verputzt, die zweite ist unverputzt. Gesamte Wohnfläche 160qm! Dazu Dachterrasse zum benutzen. Vorteile: eine hübsche, ruhige Strasse mit etwas grün, separater Eingang, nur eine weitere Partei im Haus (Tochter des Besitzers), (noch) kein vis-à-vis bei beiden Wohnungen, Ausblick auf die Stadt, 2 Balkone, Platz zum verschwenden, 1 riesiges Schlafzimmer, zwei kleinere Zimmer, davon eines mit Balkon, grosser Wohnbereich, separater Raum für Waschmaschine etc., Wünsche für Innenausstattung wie Farbe des Anstriches, Bodenplatten, Wände ziehen, versetzen oder entfernen, Miete mit Kaufoption, Dachterrasse Nachteile: Nordseite, was bedeutet keine Sonne, Anschaffung von Küche, Bad, Aircondition, Waschmaschine, Mobiliar etc., evt. zu gross für mich Preise haben wir noch nicht diskutiert, doch laut S. dürfte der monatliche Mietzins zwischen LE 700.- und 1000.- betragen. Die Ausstattungskosten gehen zulasten des Vermieters. Gehen diese über den Betrag hinaus, den der Besitzer/Vermieter zu investieren gewillt ist, geht die Differenz zu Lasten des Mieters. Der Gesamtbetrag wird dann in monatlichen Raten erstattet. Mietverträge werden jeweils für ein paar Jahre festgelegt, wobei in diesem Falle auch nach einigen Jahren Miete quasi ein Kaufrecht bestünde. Dies wird alles notariell festgehalten. Wie S. meinte, sucht man sich hier in erster Linie die Nachbarschaft aus und erst dann die Wohnung. Denn die Leute hier ziehen eher selten um, ergo muss es mit den Nachbarn klappen. Der Besitzer, der die Parterre Wohnung auf 2 Etagen bewohnt, ist der Onkel von Yasser, dem "Haus-Chauffeur". Bakr war lange als Barman im Etap Hotel tätig, spricht englisch und scheint umgänglich zu sein. D.h. durch diese langjährige Erfahrung im Tourismusbereich verzichtet er möglicherweise auf die gesetztliche Bedingung, dass ich als alleinstehende Frau keine Männer beherbergen darf, d.h. zumindest keine ägyptischen. Durch einen Kauf würde diese Bestimmung hinfällig. Natürlich ist es verführerisch, sich in solch ein Projekt zu stürzen, zumal dieses hier erschwinglich wäre. Aber ich will verschiedene Möglichkeiten prüfen und kalkulieren, was für mich (auch) finanziell machbar ist, bevor ich mich entscheide. 160qm....man stelle sich das vor!!! ...seufz!
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Back- und Putztag
16.03.2012 23:02:36
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Einmal im Monat wird Brot gebacken. Am Vorabend wird das Mehl von Schmutzpartikeln gereinigt und ein Vorteig angesetzt und am nächsten Morgen zur Bäckerei (nehme ich an) gebracht, um den Teig mit der Maschine kneten zu lassen, denn immerhin werden gut an die 15-20kg Mehl verarbeitet. Früher stand auf der Dachterrasse ein gemauerter Ofen, den man einheizte. Heute ist dies ein mit Gas betriebener Blechkasten. Zuerst werden Brotlaibe geformt, die auf runden "Tellern" in die Sonne gestellt werden, damit sie aufgehen. Bevor sie in den Ofen kommen, werden sie längs der Seitenkante mit einer Nadel eingeritzt, damit sie noch besser aufgehen. Faiza sass vor dem Ofen und passte auf die Brote auf, schob sie mal oben hinein, dann wieder unten, nahm eines heraus, klopfte auf den Boden und schob es wieder zurück, wenn der Ton und damit der Garpunkt noch nicht erreicht war. Shakal hatte sich von mir einen Zopf gewünscht, auf Berndeutsch "Züpfe", das traditionelle Brot, dass eine gute Hausfrau jeweils für das Sonntagsfrühstück bäckt. Für mich hatte ich zwei Vollkorn Baguette gemacht. Naja, ich hatte halb Vollkornmehl, halb Weissmehl genommen, da der Versuch mit reinem Vollkornmehl kein befriedigendes Ergebnis gebrachte hatte. Meine Produkte nahmen sich bescheiden aus im Vergleich zu der Menge, die Faiza und die Mädchen verarbeitet hatten. Da meine Brote nicht auf die runden "Teller" passten, gab mir Faiza zwei Bleche, die sie aus dem Hühnerstall holte und die in grauer Vorzeit wohl mal Blechkanister gewesen waren. Diese musste ich erst mal gründlich reinigen, wollte ich meine kostbaren Brote darauf backen. Dann rein in den Ofen und gespannt auf das Ergebnis gewartet. Und siehe da...die Brote gingen prächtig auf und nahmen eine schöne Farbe an. Juhuuuu...meine Brote sind super gut gelungen! Später kamen wir alle unten zusammen und frühstückten gemeinsam. S. machte sich sogleich über den Zopf her. Er kannte dies bereits von seinen Besuchen in der Schweiz, die anderen Familienmitglieder nicht. Ich glaube, so reichhaltig und viel haben weder ich noch die anderen je gefrühstückt. Ich liess mir vor allem das Baguette schmecken, das innen luftig und aussen knusprig war. Herrlich nach all den weichen, fast süssen Brötchen oder dem alternativen Pumpernikel! Ihr selbstgebackenes Brot würde mir auch besser schmecken, wenn es etwas gesalzen wäre, so ist es einfach fade. Als nächste Aktion wurde bei mir ein Putztag angekündigt. Ich wehrte mich dagegen, denn ich fand es peinlich, mich dahingehend bedienen zu lassen. Ausserdem habe ich genügend Zeit, um selber zu putzen. S. meinte, es handle sich um den Frühjahrsputz. Die Frauen erschienen und ich liess es gottergeben über mich ergehen. Meinen Bürobereich hatte ich abgedeckt und gesagt, dass sie dort nichts machen sollten. Zuerst wurde aller Stoff, den ich so mühsam improvisiert auf Stühle und Sofas drapiert hatte entfernt, danach rückte man die Möbel zusammen und nahm die Vorhänge ab. Nun gut, diese hätte ich schon lange waschen und gleich die Fenster putzen wollen. Ich konnte nichts anderes tun, als mich ins Schlafzimmer zurück zu ziehen. Lange blieb ich dort nicht alleine, denn Hend legte ihren Sohn Ahmed auf mein Bett. Iman's Tochter Noor sass in dem neuen Babysitter, der von Tuta ständig bewegt wurde. Dazu drückte sie dauernd auf einen Knopf, worauf es "Happy Birthday" plärrte. Zwischendurch sah ich den Frauen von der Küche aus zu, denn machen durfte ich ja nichts. Staub wischen sah folgendemassen aus: mit einem Lappen wurden Möbel, Kissen und Fenster abgeklopft, wobei eher der Staub aufgewirbelt als entfernt wurde. Die Einführung von Swiffer, der gemäss Werbung den Staub bindet, wäre hier wohl ein Bombengeschäft! Der kleine Ahmed wollte trotz Müdigkeit nicht schlafen, also nahm ich ihn hoch und trug ihn herum. Auch Noor hatte genug in ihrem Babysitter, in dem sie mehr hing als sass. Beide Babies begannen zu schreien und ihre Mütter kamen abwechselnd, um sie zu stillen. Danach richtete ich zwei "Betten" und sicherte sie mit Kissen. Noor fühlte sich offenbar wohl, sie gluckste zufrieden und strampelte mit ihren nackten Füssen. Ahmed brauchte etwas länger, aber schliesslich fielen dem kleinen Kerl die Augen zu. War man anfangs betreffend Babies etwas vorsichtig mir gegenüber, so heisst es jetzt schnell mal: nimm du den oder die Kleine/n. Nachdem die 3 Frauen fertig gewischt und gereinigt hatten und die Möbel wieder an Ort und Stelle standen, machte ich Tee und Kaffee und stellte Gebäck auf, das es bei mir immer dazu gibt. Musik lief und sie wollten unbedingt nochmal meinen Gesang hören. Es ist schön zu sehen, wie sie sich öffnen, zu Scherzen bereit sind und es einfach geniessen. Zwischendurch montierte Faiza die Vorhänge, die inzwischen gewaschen und getrocknet waren. Ich bedankte mich bei allen und lud sie zu einem Nachtessen bei mir ein, aber ohne Männer. Diese Idee bereitete ihnen sichtlich Vergnügen und sie freuen sich bereits darauf. Youssef, der später dazu kam, war etwas erstaunt über eine solche Idee. Er wolle sich als Frau verkleiden und dabei sein. Wir lachten ihn aus und es war für mich lustig zu sehen, wie sie die Idee aufgriffen und sich amüsierten. Naja, ich finde, eine Anerkennung haben sie sich schon verdient!
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Internet & Co.
23.02.2012 16:41:59
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Ja, ich bin ein PC Freak Ohne könnte ich mir das Leben kaum mehr vorstellen, obwohl ich den Grossteil meines Lebens sehr gut ohne verbracht habe. Früher schrieb ich Tagebücher und meine Manuskripte von Hand. Heute geht das natürlich viel schneller mit dem PC. Da mich zudem die Sache fasziniert, habe ich viel durch "learning by doing" gelernt. Da es mit der häuslichen Wireless Verbindung hier nie so richtig klappte, habe ich mich bei meinem letzten Besuch bei Vodafon, dem grössten Anbieter von Internet und Mobiletelefonie in Ägypten, angemeldet. Als Starter habe ich einen USB Stick gekauft, mit dem ich im ganzen Land Internetverbindung habe. Die monatliche Gebühr beträgt LE 100.-. Anfangs war das auch in Ordnung, ich war zumindest unabhängig. Der langsame Stream jedoch zerrte an meinen Nerven. Es dauerte einfach ewig, bis eine Seite geladen wurde. Somit habe ich Stunden am PC verbracht, die nicht nötig gewesen wären. Besonders das Einrichten der Fotogalerie - an dieser Stelle geht mein Dank an Dani, der dies freundlicherweise für mich aufgegleist hat - und das Hochladen der Fotos machte definitiv keinen Spass. Gestern bin ich zu Vodafon gegangen und habe meinen Account upgraden lassen. Die Gebühr beträgt nun monatlich LE 150.-...nun flutscht es nur so....welch ein Gefühl! Das hat mich dazu verleitet, bis morgens um 5h Bilder hochzuladen und zu bearbeiten Auch mein Handy läuft über Vodafon, prepaid sozusagen. Ich zahle pro Monat auch etwa LE 100.-, das reicht völlig. Nur Auslandgespräche lassen das Guthaben sehr schnell sinken.
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Spaziergang
23.02.2012 15:38:23
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Wer einen Spaziergang durch die Stadt macht, kann es sich nicht leisten, den Blick vom Boden zu heben. Abgesehen von der Nile Street - oder vornehmer Corniche genannt - sind die Gehwege, Trottoirs, Bürgersteige extrem schadhaft. Sehr schnell hat man sich den Fuss verknackst, wenn man nicht aufpasst. In einigen Strassen sind die Trottoirs so hoch, dass man sich unweigerlich nach dem Sinn fragt. Volkssport wäre da eine mögliche Erklärung. Offenbar sieht die Stadtverwaltung dies ebenso, denn ansonsten gibt es keine einheitlichen Trottoirs. Die Geschäfte bauen vor ihren Eingängen Podeste und Treppen, zum Teil mit Fliesen belegt. Ein paar Meter weiter fehlen die Bodenplatten und die Zehen stecken im Sand. Noch ein paar Meter weiter ist der Bürgersteig entweder abgebrochen oder mit tückischen Löchern versetzt. Es bleibt dem Fussgänger nichts anderes übrig, als auf der Strasse zu laufen. Dies wiederum erweist sich ebenso tückisch, da der Verkehr gerade in der Televison Street (eine der Verkehrshauptadern) zu Zeiten sehr intensiv ist. Unbekümmert geparkte Autos und Karren zwingen den Fussgänger, sich an ihnen vorbei zu schlängeln und darauf zu achten, genügend Abstand zu den fahrenden Autos zu halten. Hat man dies einmal im Griff, kommt schon die nächste Hürde. Microbusse, das günstigste Fortbewegungsmittel, halten, wo immer ein Fahrgast dies wünscht. So kann es passieren, dass plötzlich ein solcher Microbus ein paar Zentimeter vor den Füssen des Spaziergängers hält. Die nächste Schwierigkeit besteht im Überqueren der Strasse. Wichtig dabei ist, die Geschwindigkeit des heranfahrenden Fahrzeuges richtig einzuschätzen, denn Fussgängerstreifen gibt es kaum. Und wenn, dann werden sie geflissentlich übersehen. Hat man einmal eine Lücke entdeckt, heisst es, ansetzen zum Spurt. Damit hat man schon mal den begrünten, d.h. staubigen Mittelstreifen erreicht. Nun nochmal das Gleiche auf der Gegenfahrbahn und voilà...man hat es geschafft! Bleibt nun die Frage offen: wo sind die Gelder, die allein aus den Einnahmen der historischen Stätte in die Stadtkasse fliessen? Wo sind die Gelder der UNESCO, die zum Unterhalt eben jener Stätten bezahlt werden? Beträge in Millionenhöhe, von denen ein Teil in die Instandsetzung des öffentlichen Raumes inverstiert werden könnte. Aber leider bleibt auch diese Frage unbeantwortet...
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Muezzin
23.02.2012 15:16:04
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Ich mag die Stimmung am Nachmittag auf der Dachterrasse, wenn der Muezzin zum Gebet ruft. Wenn das Echo aus allen Winkeln der Stadt erschallt. In letzter Zeit empfinde ich es jedoch eher als aufdringlich. Kann sein, dass ich mich bereits so daran gewöhnt habe, dass es nicht mehr "exotisch" auf mich wirkt. Ich vermute jedoch, dass sich die Art des Gesanges verändert hat. Jeder Muezzin singt anders und es gibt wirklich schöne Stimmen unter ihnen. Die Mehrheit jedoch kann man nicht als Sänger bezeichnen. Was an stimmlicher Qualität fehlt, wird durch "plärren" ersetzt. Zudem scheint neuerdings ein Wettbewerb unter den Muezzin ausgebrochen zu sein. Es scheint, als ginge es darum, wer den längeren Atem hat. Da wird ein Ton ausgehalten bis zum "geht-nicht-mehr". Oft in einer Tonlage, die selbst in bereits daran gewöhnten europäischen Ohren unerträglich ist. Dazu kommt, dass Lautsprecher die Stimmen oftmals bis zum Überschlagen verstärken. Pech für jenen, der in in der Nähe eines solchen Lautsprechers wohnt! In fast jeder Strasse befindet sich ein Gebetsraum (mit Lautsprecher), meist erkennbar durch Sauberkeit vor dem Haus und die grüne (heilige) Farbe. In der Seena Street, wo ich wohne, gibt es nach Westen hin einen und ebenso nach Osten hin. Diese Gebetsräume werden rege besucht, allerdings nur von Männern. Am Freitag ist der Andrang oft so gross, dass auf die Strasse ausgewichen werden muss. Bauern, die an diesem Tag mit ihren Karren voll Obst und Gemüse in die Stadt kommen, bilden ein Abschrankung, damit die Gläubigen ungestört beten können.
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Der erste Besuch
23.02.2012 13:58:42
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Nachdem ich die Schweizer hier kontaktiert hatte, von denen ich die Telefonnummer besitze, startete ich meinen ersten Besuch. Vera, die mit ihrem Mann Gamal ausserhalb Luxors lebt, schien nicht sonderlich interessiert an einem Treffen. Deshalb kontaktierte ich Janhoury. Er hat viele Jahre in der Schweiz gelebt, hatte an manchem unserer Feste teilgenommen und lebt nun seit ein paar Jahren mit seiner Schweizer Frau Ruth in Luxor. Sein Haus ausserhalb Luxor in Richtung Assuan in einem Dorf gelegen, ist sehr geräumig und bietet Platz für die ägyptische Ehefrau und die jüngeren Kinder, für seinen Sohn Saleh, diverse offizielle Räume und eine sehr elegante Wohnung für sich und Ruth. Ein hübscher Garten mit vielfältigen Bäumen und Pflanzen sowie eine Dachterrasse mit Blick auf Felder und den Nil einerseits und das Dorf andererseits. Da ich bereits erfahren hatte, dass Janhoury mittlerweile ein gravierendes Alkoholproblem hat (ich habe erlebt, wie er in volltrunkenem Zustand Auto fuhr), hielt ich es für sinnvoll, meinen Besuch auf den Nachmittag zu verlegen, da zu dieser Tageszeit weniger Gefahr besteht, dass er bereits getrunken hat. Janhoury holte mich denn auch ab, wir luden Sarah, die Kleine seiner Tochter Abir auf, die in der Stadt lebt, und fuhren gemächlich (!) nach Ra'afa. Ruth erwartete uns bereits in ihrer aufgeregten, flatternden Art, die mich immer an ein Vögelchen erinnert. Nach einem Rundgang im Garten, wo ich von Enten bis Kaninchen alle Tiere bewunderte, machten wir es uns auf der Dachterrasse bequem. Die Sonne schien und es tat gut, die Wärme auf der Haut zu spüren. Nachdem sich Ruths Aufgeregtheit gelegt hatte, plauderten wir über alles Mögliche. Sie hatte sich entschieden, in Luxor zu leben, nachdem sie ins Pensionsalter gekommen war. Ruth ist eine sehr schlanke, blonde Frau mit sehr viel Stil. Sei es bezüglich Kleidung oder Einrichtung. Sie ist immer perfekt angezogen und der aufmerksame Betrachter erkennt die Designer Labels. Sie selbst bezeichnet sich ironisch als "Zimperliese", was sich denn auch in der fast klinisch sauberen Wohnung im Kontrast zum Umfeld ausdrückt. Ich hatte immer den Eindruck, Ruth sei am ägyptischen Leben überhaupt nicht interessiert, pflege keine Kontakte und halte sich am liebsten in ihren vier Wänden auf. Inzwischen denke ich, dass sie nach vier Jahren ganz einfach resgniert hat. Die Kluft zwischen ihr und der ägyptischen Familie ist einfach zu gross als dass es eine Verständigung geben könnte. Janhoury, der sich sehr gut auf Deutsch ausdrücken kann, macht sich Gedanken zu Politik und Umwelt. Man merkt deutlich, wieviel er von der Schweiz mitgenommen hat, denn seine Ideen sind sehr fortschrittlich. Ich könnte mir gut vorstellen, dass er Erfolg hätte als Kommunalpolitiker, zumal er eine einnehmende Persönlichkeit hat und auch weiss, wie man sich in Szene setzt. Ich empfinde Hochachtung vor jemandem, der kaum die Schule besucht hat, einen cleveren Kopf besitzt und äusserst lernfähig ist. Schade nur, dass sein Alkoholproblem alle Visonen zunichte macht. Janhoury rührte keinen Alkohal an, während wir Frauen uns ein kühles Stella Bier genehmigen. Leider überzog sich der Himmel mit Wolken und im Westen sah es fast nach Regen aus. Bei einem Besuch im letzten Jahr hatten wir ein heftiges Gewitter erlebt (das einzige je in Ägypten), sintflutartigen Regen und Stromausfall. Dumm dabei war, dass das Wasser vom Dach in den Salon rann... Weil sich kein schöner Sonnenuntergang abzeichnete und es kühl wurde, gingen wir hinein, wo Janhoury sich an den Herd stellte, um ein Abendessen zu kochen. Eine Weile sass ich im Salon, der auf mich mit seinem Marmorboden, dem Stuck und den Goldverzierungen zu kühl wirkte. In der Küche, die mit allem ausgestattet ist, was man als Europäer so braucht, war's schon gemütlicher und wir konnten weiter plaudern. Alles in allem war es ein sehr anregender Besuch, bei dem ich auch etliches über das Gemeindesystem, über Aufträge und Ausführung der lokalen Politiker und über Müllabfuhr erfahren habe. Man mag von den beiden halten was man will, mir gegenüber waren sie sehr herzlich und haben sich aufrichtig über die Abwechslung gefreut, die mein Besuch bot. Es wird denn auch nicht mein letzter gewesen sein.
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Business
12.01.2012 00:29:53
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Am Abend gehe ich mit Said zu Abdullah, wie versprochen. Unterwegs begegnet uns mein Ex und ich spüre wieder...immer noch...diese Verbundenheit, fühle mich zumindest nicht überrumpelt wie bei anderen Gelegenheiten. In Abdullahs Herrenbekleidungsgeschäft sind zwei weitere Personen anwesend. Nounou, der Abdullah als Buchhalter und Verkäufer dient und der Vater von Iman, der Frau von Moustafa. Kunden sehe ich keine. Der Fernseher läuft und Imans Vater verfolgt gebannt das Geschehen. Abdullah thront hinter dem kleinen Pult, auf dem ein PC steht. Abwechselnd wird in Facbook reingeschaut und gespielt. Wir tauschen Neuigkeiten aus, scherzen und lachen. Abdullah ist wie ein kleiner Bruder, den ich schon von klein auf kenne. Deshalb kann ich mit ihm offen und vertraut umgehen. Said "Schlitzohr" bringt mich immer zum Lachen, wir witzeln viel, auch wenn er nur wenig englisch spricht. Ein paar Männer betreten den Laden, schauen sich kurz um und verschwinden wieder. Als sie draussen sind, frage ich Abdullah, was das denn war. Er sieht mich verständnislos an. Ich wundere mich, dass er potentielle Kunden derart ignoriert. Kein Gruss, keine Frage danach, was gesucht wird oder ob man etwas zeigen kann. Ich kann mir erlauben, so zu reden ohne dabei besserwisserisch zu wirken. Deshalb frage ich ihn, was er denn in einem Restaurant machen würde, wenn keiner käme und nach seinen Wünschen fragen würde. "Ich würde gehen!" lautet die Antwort. Ich hake nach: "und sicher nie mehr wiederkommen, weil der Service schlecht ist:" "Genau", bestätigt er. Ich mache ihm klar, dass genau eben das passiert ist. Wie er denn in so schlechten Zeiten etwas verdienen will, wenn er sich nicht um seine Kundschaft kümmert. Er wird nachdenklich und gibt mir Recht. Nach einer Weile erscheint eine neue Gruppe. Ein Mann will etwas kaufen, vier andere begleiten ihn... Diesmal legt sich Abdou ins Zeug und Nounou assistiert ihm. Ich schaue zu. Der Käufer ist gross und schlank, er kann alles tragen. Abdou nimmt nun sein Rolle ernst und berät mit Hingabe. Nachdem sich der Kunde für eine Hose und eine Leder(?)jacke entschieden hat, geht es an die Bezahlung. Nun wird gefeilscht und Abdou zieht alle Register. Er macht dies gewitzt und mit viel Humor. Es macht richtig Spass, zuzuschauen. Schliesslich willigt der Kunde ein. Nachdem er bezahlt hat, wendet er sich an mich. Er lebe in England und sei zurzeit auf Urlaub hier mit seiner Frau. Dachte ich mir's doch. Der Mann hat einfach einen anderen Kleidungsstil als die meisten hier. Als er geht, beglückwünsche ich ihn zu seiner Wahl. Zu Abdou sage ich: "na, geht doch!" Er strahlt. Ist doch wahr, gerade jetzt, wo wenig Geld reinkommt, ist jeder Kunde wertvoll. Schliesslich muss Abdullah auch seine Familie ernähren.
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Die ersten Tage
09.01.2012 11:50:23
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